Bayer Leverkusen
vs.
Liverpool FC 4:2

Viele kritisieren an der Champions League, daß die doppelte Gruppenphase zu viel Anlaß zu taktischen Spielchen gibt und somit vielen Partien die rechte Spannung fehlt. Mit dem Viertelfinale ist diese Phase des Wettbewerbs auf jeden Fall überstanden und im heutigen Rückspiel heißt es in der BayArena “Wir oder ihr!”. Das Resultat im Hinspiel läßt mit 1:0 für den LFC noch alle Möglichkeiten offen, wobei es schon die Gäste sind, denen allgemein eine leichte Favoritenstellung zugestanden wird, gelten sie doch als Team mit ausgesprochen stabiler Abwehr, das immer für einen Treffer gut ist. Beides zusammen - so wird spekuliert - wird dazu führen, daß die Hausherren mindestens einen Gegentreffer schlucken müssen, ohne realistische Chancen zu haben, die nötigen drei eigenen Tore zuwege zu bringen.

Im ersten Abschnitt sieht es ganz so aus, als sollten derartige Einschätzungen bestätigt werden. Zwar lassen die Gäste ein paar gute Chancen ungenutzt, doch der zwischenzeitliche Führungstreffer von Bayer wird ausgerechnet kurz vor der Halbzeit von Liverpool beantwortet. Im zweiten Abschnitt drücken die Leverkusener aufs Tempo und tatsächlich fallen innerhalb weniger Minuten die Treffer zum scheinbar vorentscheidenden 3:1. Damit ist aber nicht das letzte Wort gesprochen, denn die Gäste können ihrerseits einen Abspielfehler des heute ziemlich indisponierten Bastürk nutzen, um gegen die Vorwärtsbewegung der Leverkusener anzugreifen und schon heißt es nur noch 3:2. Am Ende ist selbst das nicht die endgültige Entscheidung, Bayer kommt noch zum völlig verdienten 4:2 durch einen Flachschuß von links, wo kurz zuvor der rotgefährdete Abwehrspieler Xavier auf Seiten der Liverpooler den Platz verlassen hat. Am Ende stehen also fünf Wendepunkte auf der heutigen Bilanz, drei davon völlig überraschend. Das Publikum hat ein Spiel hinter sich, das wohl keiner so schnell vergessen wird und das ein wenig an das UEFA-Cup-Endspiel des Vorjahres erinnert, in dem auch schon der LFC beteiligt war, nur daß es diesmal der Liverbird ist, der am Ende die Flügel hängen läßt.

Das Publikum sorgt dafür, daß der Rahmen der Vorstellung angemessen ist. Zum Intro präsentieren die Leverkusener zahlreiche Doppelhalter und Fahnen, danach übernehmen sie sofort die Stimmungshoheit und peitschen ihr Team auch in den scheinbar verfahrenen Situationen nach dem 1:1 und dem 3:2 unermüdlich nach vorne. Selbst auf den Seitentribünen mit ihrem größtenteils eher gesetzten Publikum verfolgt man das Spiel singend, größere Phasen davon auch stehend. Wer nach der heutigen Partie noch die Floskel vom leblosen Werksverein mit langweiligem Publikum bemüht, muß an einer heftigen Form von Realitätsverlust leiden. Natürlich ist es ein Spiel, in dem es leicht ist, mitzugehen, aber gerade solche Spiele sind es halt, die gemeinsame Identität schaffen und aus einem Retortenprodukt einen Fußballverein mit Tradition machen! Die Liverpool-Fans spulen derweil ihr übliches Standardprogramm ab, werden allerdings in den für Liverpool ungünstigen Situationen recht leise, überzeugen dann aber besonders, nachdem das Spiel vorbei ist, als sie trotz des für sie so enttäuschenden Ausgangs die Leistungen beider Mannschaften beklatschen. Die 15 Minuten Blocksperre, die die Gäste abzuwarten haben, sind heute mit Sicherheit völlig überflüssig - Gefahr hätte es nur für die Schals des Heimpublikums gegeben, daß ihre Besitzer sie aufgrund von Tauschangeboten ins Insel-Exil schicken könnten.

Auf eine Beschreibung der BayArena soll an dieser Stelle verzichtet werden, ist eine solche doch im Bericht des Gruppenspiels der Werkskicker gegen den FC Barcelona enthalten.